Der Konflikt in Palästina
Ein Interview mit Alisa Fuss
Alisa Fuss war eine Frau, die sich seit Jahren
für die Versöhnung zwischen Israelis und Palästinensern einsetzte. Sie stammte
aus Israel und lebte in Berlin. Durch ihre Arbeit kannte sie die Argumente
beider Seiten. In dem folgenden Text erklärt Alisa Fuss, welche Gründe die
Streitereien zwischen Juden und Palästinensern haben. Das Interview mit ihr
wurde 1995 geführt. Alisa Fuss ist Ende 1997 gestorben.
Wie begann der Konflikt
zwischen den Juden und den Palästinensern?
Der Konflikt hat eine lange Vorgeschichte. Vor
etwa hundert Jahren kamen die ersten jüdischen Einwanderer nach Palästina.
Dort lebte damals ein anderes Volk, die Araber - heute nennt man sie
Palästinenser. Sie waren nicht sehr viele und lebten meist in Dörfern,
wenige in Städten und es gab viele Weideflächen und leere Flächen, die noch
nicht bearbeitet worden waren.
Die Juden, die dann dahin kamen, haben
die Böden von den Bodenbesitzern gekauft - das waren allerdings
nicht die Bauern selber, sondern Großgrundbesitzer. Die Bauern waren
meist Pächter, die die Hälfte ihrer Ernte den Großgrundbesitzern
abgeben mussten. Und als nun die Juden die Flächen kauften, mussten
die Pächter runter von ihren Böden, auf denen sie vielleicht schon
Hunderte von Jahren gesessen hatten. Das gab natürlich böses Blut.
Der Staat Israel wurde aber
trotzdem gegründet. Und weil die Araber ihn nicht anerkennen wollten, kam es
immer wieder zu Kriegen.
Der wichtigste davon ist der sog.
Sechs-Tage-Krieg, der einen großen Sieg für die Juden und eine
schreckliche Niederlage für die Araber bedeutete. Plötzlich waren
die Israelis in der Situation, dass ihnen viele arabische Gebiete
zugefallen waren, die eigentlich mehr ausmachten als ihr Land im
Kernland Israel. Und man überlegte sich, was man nun mit diesem
Gewinn tun könnte.
Ein Teil dachte daran, sich das ganze
Gebiet einzuverleiben in einen jüdischen Staat. Aber da gab es die
Überlegung, dass Israel dann eine große arabische Minderheit hätte,
1 1/2 Millionen waren das damals, wenn nicht zwei Millionen. Dass
diese Minderheit im Laufe weniger Jahre zu einer Mehrheit werden
könnte, war aber nicht erwünscht, da die Menschen einen jüdischen
Staat wollten. Das war die Meinung der Mehrheit, auch der
verantwortlichen Führer in Israel. Sie wollten diese Gebiete nur
behalten, sie sozusagen besetzen, festhalten, bis es zu
Friedensverhandlungen käme.
Schon damals gab es eine noch sehr
kleine Anzahl von sehr frommen Juden, die sich auf die Bibel
beriefen und sagten, dass diese Gebiete früher vor zweitausend
Jahren einmal einem jüdischen Staat gehört hatten. Sie nehmen die
Bibel wörtlich und meinen, dass kein Stück Land, das früher mal
jüdisch war, zurückgegeben werden darf an Nicht-Juden. Diese damals
kleine Anzahl bekam aber Hilfe auch von der Regierung. Sie durften
im arabischen Kernland jüdische Siedlungen errichten. Für diese
Siedler wurden Elektrizität, Straßen, Wasserleitungen angelegt, gute
Häuser gebaut, sie hatten alle einen Swimmingpool, während nebenan
die Araber nicht genug Wasser hatten, um ihre Felder zu bewässern.
Somit waren die Siedler ein Dorn im Auge der arabischen Bevölkerung.
Die Siedler bekamen ihre Wohnungen billig und haben meist an diesen
Orten gar nicht gearbeitet, sondern fuhren zur Arbeit ins Kernland
von Israel. ...
Seit einigen Jahren wird über
einen Friedensvertrag verhandelt. Das gefällt den Siedlern nicht. Warum
nicht?
Seit in Oslo vor circa drei Jahren ein
Rahmenabkommen für Frieden abgeschlossen wurde, wurden diese Siedler
ganz aggressiv. Sie fürchteten zu Recht, dass bei einer Regelung
ihre Siedlungen keinen Bestand haben würden; es sei denn, sie wären
einverstanden unter arabischer Oberhoheit zu leben. Denn es war
ziemlich klar, dass am Ende der Verhandlungen irgendwann ein
palästinensischer Staat entstehen würde. ...
Die Siedler könnten selbstverständlich weiter dort bleiben und in
einem palästinensischen Staat leben, aber das wollen sie aber nicht. Sie wollen
Bürger von Israel bleiben und die ganzen Privilegien, die sie haben, möchten sie
behalten.
Wie kann man denn Frieden
zwischen Israelis und Palästinensern schaffen?
Ich glaube das ist nicht nur eine Frage von
Toleranz. Das ist eine Frage der Macht. Es ist auch nicht zu sagen, die
Extremisten von beiden Seiten sind beide schuld und schaukeln sich gegenseitig
hoch. Das sieht so aus auf den ersten Blick.
Es gibt meiner Meinung nach aber ein
Unterschied. Die einen sind die Besetzer und die anderen sind die Besetzten,
bzw. die einen sind die Unterdrücker und die anderen sind die Unterdrückten.
Solange dieser Zustand nicht aufhört,
kann man nicht von einer Gleichwertigkeit sprechen. Aber natürlich
ist die Frage der Toleranz wichtig in dem Sinne, das erstmal
Toleranz geübt und gelebt werden muss nach so vielen Jahren von
Hass. Und der Anfang ist ja jetzt gemacht, aber das muss natürlich
viel weiter gehen und von unten ausgebaut werden. Und darum ist es
ganz wichtig, dass es auch in Israel Gruppen gibt, die gemischt sind
mit Juden und Palästinensern, besonders auch unter Jugendlichen, die
einfach im tagtäglichen Leben zusammenkommen und gemeinsame Sachen
machen. Und die dadurch, dass sie sich näher kennen lernen, die
Vorurteile abbauen, die sich im Laufe der kriegerischen
Auseinandersetzungen aufgebaut haben.
Der Hass und die Furcht vor der anderen
Seite ist ja zum Teil sehr verständlich, denn es sind ja
schreckliche Sachen passiert - sowohl von der einen als auch von der
anderen Seite. Ich denke nur an Terrorakte seitens der Araber und
ich denke an viele andere Sachen, die das israelische Militär und
Polizei in den besetzten Gebieten getan haben - die auch schrecklich
waren, z.B. dass man auf Menschen, auf Kinder geschossen hat.
http://www.sowieso.de/archiv/alisa_fuss.html
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