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Ein Dialog zwischen Juden und Muslimen in Berlin:
Begegnungen zwischen Ramadan und Chanukka

Ein Jude im muslimischen Umfeld der atheistischen Sowjetunion

Von Igor Chalmiev

Liebe Freundinnen und Freunde,

Ich habe nie gedacht, dass ich in einem christlichen europäischen Land über mein Leben in einer muslimischen Umgebung erzählen würde. Aber in der heutigen Zeit und Welt hat es sich ergeben, dass ich, ein Jude aus Aserbaidshan, in einer Berliner jüdischen Einrichtung darüber spreche. Und für die heutige Zeit steht auch, dass es Interesse an diesem Thema gibt, und zwar bei Christen, Juden, Muslimen und Atheisten gleichermaßen.

Ich bin in einem von Staats wegen atheistischen Land geboren, aber noch eine oder zwei Generationen vor mir haben Menschen ihre Religionen gekannt und soweit wie möglich auch weitergegeben. Das betraf auch die religiösen Feiertage, die bei uns in Baku offen gefeiert wurden. Ich kann mich erinnern, dass ich als Kind zu bestimmten Feiertagen hausgemachte Süßigkeiten von muslimischen Nachbarn erhielt. Es waren die Großmütter, die die alten Rezepte bewahrt hatten. Bis heute habe ich diesen Geschmack auf der Zunge. Ich erinnere mich auch, dass uns orthodoxe Christen bemalte Eier schenkten und die Juden verschenkten zu Pessach Mazza.

Für mich ist das multikulturelle Leben nichts Neues. Ich habe viele Jahre in einem Haus gewohnt, in das man über einen großen Hof gelangte. Rundum waren die Wohnungen. Die meisten Bewohner waren Muslime, die einen waren Tataren, die anderen Aserbaidshaner. Wir waren die einzigen Juden, und dann gab es noch drei russische Familien, die orthodoxe Feste feierten.

Für Kinder wie damals mich war es ein buntes Leben. Aber natürlich feierten wir alle vor allem die staatlichen Feiertage, den 1. Mai, den 9. Mai als Tag der Befreiung. den Revolutionstag im November, den Tag der Roten Armee (als Männertag) und den 8. März, den Frauentag.

In Baku waren die meisten Menschen in meiner Zeit Atheisten, doch die religiösen Traditionen waren irgendwie erhalten geblieben. Sie regelten auch die Beziehungen zwischen Eltern und Kindern. In einem muslimischen Land ist es für alle üblich, dass die Kinder ihren Eltern und Großeltern mit Hochachtung begegnen. Auch das Verhältnis zwischen Männern und Frauen ist anders als hier. Beispielsweise musste ich mich erst daran gewöhnen, auch Frauen bei einer Begrüßung die Hand zu geben. In den Familien sind Männer die Hauptpersonen, denn von ihnen wird erwartet, dass sie die Familien ernähren. Obwohl Frauen in der Sowjetunion auch in den muslimischen Republiken Arbeit hatten, blieb diese Überzeugung erhalten, wobei sie sich wegen der Berufsarbeit langsam abschwächte. Ich denke aber, dass die alten, aus der Religion stammenden Traditionen heute wegen der Arbeitslosigkeit wieder stärker geworden sind.

Viele mir bekannte Juden und Muslime haben die Feiertage nicht nach religiösen oder traditionellen Vorschriften gestaltet, sondern sie galten als besondere Höhepunkte, an denen man zu Hause mit Verwandten am reich gedeckten Tisch zusammenkam. Dabei wurde viel geredet, und am Ende sagte man nicht nur bei uns: Nächstes Mal in Jeruschalajim – und zwar nicht nur zu Pessach, sondern an allen jüdischen Feiertagen. Aber manche der Älteren haben die Vorschriften wiederum sehr streng eingehalten.

Ich hatte viele Kontakte zu Muslimen und habe sie oft besucht wie sie mich auch. Darum habe ich schon dort Ramadan erlebt, das Zuckerfest und auch christliche Feiertage wie Ostern und das russische Neujahr, das ja mit Djed Moros und Snegurotschka eher ein staatlicher Feiertag war.

Als Jude in einer muslimisch geprägten atheistischen Sowjetrepublik hatte ich keine Vorstellung davon, dass ich im fernen fremden Deutschland irgendwann meine muslimischen Erfahrungen nutzen würde. Ich wusste natürlich auch nicht, dass Berlin nach Istanbul die größte türkische Stadt sein soll.

Drei Jahre hintereinander war ich in Berlin zum Fastenbrechen, in diesem Jahr dank der AWO Begegnungsstätte sogar in einer Moschee. Ich fühlte mich sehr an meine Kindheit erinnert. Es war eine Männergesellschaft, sehr offen, sehr freundlich und die Atmosphäre war eigentlich ganz anders als sonst in Deutschland. Wie damals in Baku beteten die Männer und Frauen in verschiedenen Räumen, und beim Essen sitzen sie eigentlich nicht zusammen, das ist Kultur, aber kein religiöses Gesetz. Wir allerdings saßen alle zusammen, wir waren die Gäste, die umsorgt und betreut wurden.

Unser Workshop heißt "Zwischen Ramadan und Chanukka", weil wir über dieses Mit- und Nebeneinander sprechen wollen. Ich gebe jetzt das Wort an meinen türkischen Freund Metin Yilmaz weiter, der wie ich ein Deutscher geworden ist. Er hat als Fotograf unsere Begegnungen begleitet und wird jetzt über seine Erfahrungen und Bilder sprechen.

Fastenbrechen nach dem Ramadan
Fotos von Metin Yilmaz
Ramadan in Eskisehir und im deutschen Dorf
Wie ich Chanukka entdeckt habe

Zum Weiterlesen:
Juden und Muslime: Der Mythos einer interreligiösen Utopie

von Mark R. Cohen
Von Berlin nach Baku
von Igor Chalmiev

Begegnungen zwischen Ramadan und Chanukka (Startseite)
Jüdischer Kulturverein Berlin
Jüdisches Leben in Berlin (Startseite)

hagalil.com 16-12-03


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