Tipp für die Berlinale:
Eine Mutter mit Vergangenheit
Einfach "Mutter" nennt Miklós Gimes
seinen dokumentarischen Film (Schweiz). Dieser Film ist Portrait einer Frau
und Zeitgeschichte im Film zugleich. Die Mutter von Miklós Gimes war die
Ehefrau des zunächst linientreuen Kommunisten Miklós Gimes, der – nach einer
persönlichen politischen Umorientierung - zu einem der führenden Köpfe
des Ungarnaufstandes 1956 wurde. Erst anlässlich der Exhumierung aller in
einem Massengrab verscharrten Widerstandskämpfer aus dieser Zeit und deren
öffentlichem Staatsbegräbnis 1989, beginnt sich der Sohn mit der Geschichte
seiner Eltern als politische Personen auseinander zusetzen.
Weder seine Mutter
hatte viel darüber gesprochen, noch hatte er sich veranlasst gesehen, dem
Leben seines Vaters nachzuspüren. Sein früher Tod und die rechtzeitige
Flucht der Mutter mit dem Sohn in die sichere Schweiz, haben sie beide von
diesem Leben endgültig abgeschnitten.
Lucy Gimes, die Mutter,
berichtet von ihrer Vorkriegsjugend, ihrer Jugendliebe und der Begegnung mit
Miklós Gimes in die Kamera wie bei einem normalen Interview. Sie verweigert
sich, bei der Beantwortung intimer Fragen über ihr Sexuallebe. In ihrer
eigenen Wahrnehmung sieht sie sich als eine in Parteifunktionen
hineingewachsene Ehefrau von Miklós Gimes. Ihre Sicht auf die politischen
Veränderungen war einfach: Gerechtigkeit und Gleichheit für alle.
Aus dem Portrait von Lucy
wird durch ihre Erzählungen und die Erinnerungen ihrer Zeitgenossen in
Ungarn das Parallel-Portrait ihres Mannes Miklós Gimes deutlich. Sie als
eine Ehefrau, die sich damit abfinden muss, dass es an der Seite ihres
Mannes eine Geliebte gibt, die bis 1989 in Ungarn als die Frau an der Seite
von Miklós Gimes in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird. Er als ein
einflussreicher Journalist, der aktiv an der politischen Gestaltung Ungarns
teilnimmt und sich von den Doktrinen der Kommunistischen Partei so weit
entfernt, dass er zu einem der führenden Köpfe des Ungarnaufstandes wird.
Es ist das Leben einer Frau,
die ganz allein und auf sich gestellt, mit einem 7-jährigen Kind in die
Emigration geht und sich dort ein eigenes Leben aufbaut. Darüber geraten
ihre politische Vergangenheit ebenso in Vergessenheit, wie ihre Ehe, ihre
große Liebe und die erlittenen Verletzungen. Miklós Gimes zeigt das Bild
seiner Mutter auf eine Weise, wie man sich wünscht, dass Kinder ihre Eltern
sehen: Als Menschen, die weit mehr sind, als Mutter oder Vater.
Gesehen von: Gudrun Wilhelmy
Auf der Berlinale 2003 im Programm des
Panoramas.
Mutter, Regie Miklós Gimes, Kamera: Pio
Corradi, 95 Minuten
hagalil.com
02-02-03
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