antisemitismus.net / klick-nach-rechts.de / nahost-politik.de / zionismus.info
Judentum und Israel
haGalil onLine - http://www.hagalil.com
     

hagalil.com

Search haGalil

Veranstaltungskalender

Newsletter abonnieren
e-Postkarten
Jüdische Weisheit
 
Sie finden hier zahlreiche Artikel aus dem 90er Jahren, d.h. aus den Anfangsjahren des WWW. Aktuellere Meldungen finden Sie im Nachrichtenarchiv unter Jüdisches Leben in Deutschland..., Antisemitismus, Rechtsextremismus..., Europa und die Welt... oder in den täglich aktuellen Nachrichten von haGalil.com...
Etliche Artikel in diesem Ordner entsprechen in Formatierung und Gestaltung nicht den heutigen Internetstandards. Wir bedanken uns für Ihr Verständnis.

Unterwegs?
Besuchen Sie auch die Seiten zu jüdischen Führungen in Berlin...

Termine...

Halacha und Alter

von Rabbiner Tsevi Weinman (Jerusalem)

Im jüdischen Recht wird der Begriff „Alter" in verschiedenen Zusammenhängen unterschiedlich angewandt. Er kann sich auf das chronologische Alter beziehen oder durch den körperlichen Zustand eines Menschen definiert sein. Man sagt: Ein Sechzigjähriger ist reif an Jahren, ein Siebzigjähriger an Greisenalter" (Sprüche der Väter). Im Buch der Chronik steht: „Und David starb im vollen Greisenalter", als Siebzigjähriger. Im Segensspruch für die Gerechten, dem 13. Segensspruch der Amidah, des stillen Gebetes, beten wir jeden Tag für das Wohlergehen der Altesten: „... und über die Ältesten deines Volkes, des Hauses Israels ... sei dein Erbarmen rege".

Traditionell haben alte Menschen ihren Platz im Rahmen der Familie. Im Unterschied zu Armen, Waisen oder Witwen werden sie weder in der Tora noch von den Weisen als schwächere Mitglieder der Gesellschaft eingestuft, die wegen Hilfsbedürftigkeit bei Wohltätigkeit und sozialer Fürsorge besonders berücksichtigt werden müssen. Neben zahlreichen wohltätigen Stiftungen und Organisationen zur Armenhilfe, Krankenpflege oder Bestattung der Toten gab es lange keine der Altenpflege. Das erste jüdische Altenheim wurde in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts in Krakau und 1749 in der portugiesischen Gemeinde Amsterdam gegründet. Mit dem 19. Jahrhundert wuchs ihre Zahl, jetzt findet man in jeder jüdischen Gemeinde neben zahlreichen anderen wohltätigen Organisationen auch das Altenheim.

Für unsere Weisen lag die obere Grenze eines Menschenlebens bei 100 Jahren, doch die durchschnittliche Lebenszeit beträgt 70 bis 80 Jahre (Psalmen Kapitel 90 V. 10). Die Tora verspricht dem, der die Gebote hütet, ein langes Leben (Deut., Kap.6, V. 2) und im Talmud gibt es Beispiele ethischen Verhaltens, die unseren Weisen langes Leben beschied. „Ich bin freigiebig mit meinem Gelde umgegangen", „Ich habe keine Geschenke angenommen.", Ich habe in meinem Hause nie gezürnt." Die Weisen nannten besondere Gebote, darunter das der Wohltätigkeit, die langes Leben sichern.

Im Allgemeinen bringen wir dem Gealterten tiefen Respekt entgegen. Gesammelte Lebensweisheit, Erfahrung des Nachlassens der körperlichen Triebe sowie zusätzliche Zeit für das Studium der Tora und die Ausübung ihrer Gebote machen das Alter zu etwas Positivem, ohne da? wir die körperlichen Schwächen und andere Einschränkungen leugnen. Ein langes Leben wird grundsätzlich als Segen verstanden (Jesaja Kap. 65, V. 20). Es heißt: „Wer von den Ältesten lernt, ist so, als genieße er reife Trauben und alten Wein." Man sollte das Alter folglich mit der Hoffnung erwarten, gute Dinge zu vollbringen, wie Wohltätigkeit, sich nicht mit Bedeutungslosem abgeben und sich lebenslang von unziemlichen Handlungen fernhalten. Die schriftliche Lehre und unsere Weisen raten, daß der Mensch sich in jungen Jahren körperlich und geistig auf das Alter vorbereiten soll. Es heißt, Toragelehrte erlangen im Alter zusätzliche Weisheit, innere Ruhe und Klarheit, wohingegen jene, die sich nicht mit dem Studium der Tora befassen, im Alter ihre Einfältigkeit steigern und weder innere Ruhe noch Klarheit erlangen. Es ist geschrieben, daß ein alter Mensch die ihm vertraute Umgebung jeder Alternative vorziehen wird, selbst wenn diese vorteilhafter zu sein scheint, umgangssprachlich: „Einen alten Schrank verrückt man nicht".

Die Halacha ist ein Regelwerk auch für den Alltag. Es gilt, daß eine ältere Frau sich in der Kleidung von einer jungen unterscheiden, der ältere Mensch Kranke besuchen soll, gerade auch junge Kranke, selbst wenn dies nicht seiner Würde entsprechen mag, und er ist verpflichtet, sich an der Beerdigung der Toten zu beteiligen, selbst wenn dies nicht seinem Stande angemessen ist. Wer im Alter verwitwet, soll sich erneut verheiraten, denn ein Mann soll nicht ohne Frau, eine Frau nicht ohne Mann leben, doch sollten beide annähernd gleichen Alters sein. Alte Männer sind sogar verpflichtet, sich am Bau eines rituellen Tauchbades in ihrer Stadt zu beteiligen, selbst wenn ihre Frauen es nicht mehr benötigen. Alte und schwache Menschen müssen selbst am Jom Kippurim, dem Veröshnungstag, nicht fasten. Beginnt ein alter Mensch mit der Gemeinde zu fasten und fühlt er sich dabei zunehmend schwächer, geben wir ihm sofort zu essen. Im Krankheitsfall ist der alte Kranke wie ein junger zu eilen, keiner wird bevorzugt.

Ein alter Mensch, dem die Hände zittern, ist nicht für das rituele Schlachten von Tieren geeignet, und jemandem über 80 ist das Schlachten überhaupt nicht mehr gestattet. Gleiches gilt für die rituelle Beschneidung eines Neugeborenen. Ähnliches gilt für die Richter, aber nur wenn über Menschenleben zu entscheiden ist. In diesem Fall darf der alte Mensch nicht mehr im Sanhedrin (im jüdischen Gericht) dienen. Würde sich aber sonst niemand finden, der mit dem Gesetz und seiner Interpretation vertraut ist, würde man ihm dennoch den Vorzug geben.

Da alte Menschen kein Geld mehr verdienen, ist es in jüdischen Gemeinden Brauch, sie von dr Zahlung sämtlicher Steuern zu befreien, nicht aber vom Gebot der Wohltätigkeit. In der Synagoge sitzen die Ältesten vorn, der Gemeinde zugewandt, den Rücken zur heiligen Lade gekehrt, während die Gemeinde Reihe für Reihe sitzt, den Ältesten und der Lade zugewandt. Bei der öffentlichen Toravorlesung wird stets der ältere Mensch vor dem jüngeren Toragelehrten aufgerufen. Und so ist es auch ein Gebot und ein Akt der Liebe, sich um die alten Eltern zu kümmern, sie bei sich wohnen zu lassen und zu versorgen. Ist aber ein Ehepartner gegen den Einzug der Eltern des Ehepartners, akann es nicht gegen dessen Willen erfolgen. Hat ein Ehepartner dem Einzug zugestimmt und erst während des gemeinsamen Wohnens bemerkt, dass er mit der entstandenen Situation nicht umzugehen weiß, kann er sich immer noch umentscheiden. Eltern, die bei ihren Kindern leben und über Geld verfügen, müssen diesen Miete zahlen. Muß der Vater im Alter bei seinen Kindern wohnen, ist es besser, wenn es bei der Tochter ist, denn kommt es zu Streitigkeiten, läßt sich ein Schwiegersohn eher beschwichtigen als eine Schwiegertochter. Immer gilt „vor einem grauen Haupte sollst du aufstehen und das Ansehen eines Greisen ehren" (Lev. Kap 19 V 32).

Manche halachische Autoritäten meinen, daß auch ein nichtjüdischer Greis gemeint ist. Und so ehre man auch einen ergrauten Nichtjuden. Wenn man sich vor einem alten Menschen erhebt, sollte man ganz aufstehen und stehen bleiben, solange dieser steht. Man ist auch verpflichtet, einem alten Menschen seinen Sitz in öffentlichen Verkehrsmitteln anzubieten. Handwerker sind übrigens während ihrer Arbeit von diesem Gebot freigestellt. Alter heißt hier 70 Jahre, andere meinen, es beginnt mit 60.

Solange ein Mensch in Führungsposition seinen Aufgaben gerecht wird und vorher nichts anderes festgelegt wurde, solle man ihn nicht aufgrund seines Alters aus der Stellung drängen. Dies gilt für Rabbiner, Vorsänger, Synagogenvorsteher und Schuldiener. Ist es aber Brauch, die Stellung nach festgelegter Amtszeit oder mit Erreichen eines bestimmten Alters aufzugeben, sollte der Betreffende dies tun. Wurde die Begrenzung weder in Absprache, noch durch den Brauch des Ortes festgelegt und der Betreffende ist voll arbeitsfähig und hat sich nichts zu Schulden kommen lassen, sollte man ihn nicht aufgrund seines alters und gegen seinen willen entlassen. Beschäftigt die Gemeinde jemanden in einem öffentlichen Amt, ohne vorher seine Amtszeit begrenzt zu haben, und kann er mit fortschreitendem Alter immer weniger leisten, weswegen er gezwungen sein kann, sein Amt niederzulegen, dann ist die Gemeinde verpflichtet, ihn weiterhin zu ernähren und ihm seinen vollen Lohn zu zahlen. Für jüdische Soldaten ist die Altersbegrenzung 60 Jahre. Das sind Beispiele aus dem jüdischen Recht, der Tora, der jüdischen Ethik und den Überlieferungen unserer Weisen, die den Umgang der Gemeinschaft mit den Ältesten regeln, aber natürlich hängt alles vom Menschen ab. Er entscheidet über sein Tun und Handeln bis ins hohe Alter.

"Vom Altern in der Fremde - über Chancen und Hindernisse der Integration hochqualifizierter älterer und alter russischsprachiger „Kontingent-Flüchtlinge" im heutigen Deutschland"
hieß das Kolloquium, auf dem dieser Vortag gehalten wurde. Es fand am 24 / 25. März 2001 statt und wurde vom Jüdischen Kulturverein Berlin organisiert.

Startseite: jüdisches Leben in Berlin


DE-Titel
US-Titel


Spenden Sie mit PayPal - schnell, kostenlos und sicher!

Werben in haGalil?
Ihre Anzeige hier!

Advertize in haGalil?
Your Ad here!

haGalil.com ist kostenlos! Trotzdem: haGalil kostet Geld!

Die bei haGalil onLine und den angeschlossenen Domains veröffentlichten Texte spiegeln Meinungen und Kenntnisstand der jeweiligen Autoren.
Sie geben nicht unbedingt die Meinung der Herausgeber bzw. der Gesamtredaktion wieder.
haGalil onLine

[Impressum]
Kontakt: hagalil@hagalil.com
haGalil - Postfach 900504 - D-81505 München

1995-2008 © haGalil onLine® bzw. den angeg. Rechteinhabern
Munich - Tel Aviv - All Rights Reserved