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Das Warenhaus

Von Kathrin Schrader



Der Lichthof im Wertheim, Leipziger Straße
Durch die leeren Kolonnaden des Hauses Rosenthaler Straße 37 - 31 in Berlins Mitte, an der Ecke Sophienstraße bläst der Wind. Hier ist das einzige der ehemaligen Wertheim-Warenhäuser, das bis heute, wenn auch mit verändert wieder aufgebauter Fassade, überlebt hat. Das Original des von Alfred Messel geschaffenen Baues ist nur in der Sophienstraße erhalten. Nicht so prächtig wie das legendäre WERTHEIM am Leipziger Platz, weist dieses kleinere auf die Wurzeln einer der bemerkenswertesten Berliner Karrieren der Jahrhundertwende.

Die lärmenden Straßen der Spandauer Vorstadt und das nahe Scheunenviertel mit seinen Kellerläden, vor denen man um Preise feilschte, wo bärtige Männer in schwarzen Hüten auf offener Straße diskutierten, enge Gassen, in denen sich Prostituierte und Arbeitslose herumtrieben, dies alles war dem Stralsunder Kaufmannssohn Georg Wertheim aus seinen Lehrjahren vertraut, als er 1885 hierher zurückkehrte, um in der Rosenthaler Straße 27 sein erstes Berliner Geschäft für Manufaktur-, Mode- und Damenkonfektion zu eröffnen, das hauptsächlich des geführten, billigen Sortiments wegen gut
ging. Vorsichtig testete er andere Standorte in der Stadt, bevor er sich zum Bau der Warenhäuser entschloß.

1892 eröffnete das erste Warenhaus in der Leipziger Straße 110/111, ein Bau, der wegen seiner Schönheit und Exklusivität fortan als Sehenswürdigkeit im Baedecker geführt wurde. Derselbe Baumeister, der Architekt Alfred Messel, vollendete nach nur neun Monaten im Dezember 1903 den Warenhaus-Bau in der Rosenthaler Straße/ Ecke Sophienstraße.

Gleich Harrods in London und dem Lafayette in Paris kündeten die Wertheim-Warenhäuser in Berlin vom Beginn einer neuen Epoche. Längst vorbei die Zeiten, in denen es zu den Pflichten einer Frau gehörte, Kleider zu nähen, Spitzen zu klöppeln und Federbetten zu rupfen. Die moderne Großstädterin blätterte im Wertheim-Katalog der Wintersaison 1903/1904 und betrachtete züchtige Schwarz-Weiß- Zeichnungen von Korsett- und Beinkleidern, Tändel- und Wirtschaftsschürzen, Ball-Fächern, Diener-Garderoben und Putzartikeln, Flitterroben, garnierten Damenhüten, Capes und Paletots. Ob die Arbeiterfrau aus der Spandauer Vorstadt oder die besser situierte Dame aus dem Westen – die Philosophie des Unternehmens Wertheim sah vor, alle Kunden gleich zu behandeln.

Es war verboten, Personen von höherem Rang in Gegenwart einfacherer Menschen mit ihrem Titel anzusprechen oder bevorzugt zu bedienen. Der Erfolg der Warenhäuser erregte bald Neid und Missgunst, besonders, nachdem der Kaiser persönlich dem Warenhaus-Phänomen WERTHEIM einen Besuch abgestattet hatte.

In den jüdischen Kaufhäusern Berlins, das schrieb die rechts-nationale Presse, würde mit falschen Maßen gearbeitet, es würden Lockwaren eingesetzt, um letztendlich minderwertige Waren anzubieten, es herrschten schlechte Arbeitsbedingungen und das große Angebot stelle eine sittliche Gefährdung der Kunden dar. Die Familie Wertheim beantwortete alle Vorwürfe mit ausgesuchter Qualität und besonderen Sicherheitsvorkehrungen für ihre Angestellten. Bei Wertheim zu arbeiten galt als etwas besonderes, nicht nur wegen der Größe des Unternehmens und seines guten Rufes, sondern auch wegen des Vertrauens, das Georg Wertheim in seine Mitarbeiter setzte.

Er verzichtete bewusst auf einen autoritären Führungsstil. Als die Nazis zum Boykott jüdischer Geschäfte aufriefen, glaubte der getaufte Georg Wertheim, sich mit den neuen Machthabern arrangieren zu können. Die glitzernden Konsumtempel in der Großstadt Berlin aber waren eines der Hauptangriffsziele der Nazis. Sie wurden »arisiert«. Bald darauf waren die schönsten Kaufhäuser Berlins nicht nur jüdischen Mitarbeitern verschlossen, sondern auch jüdischen Kunden. Statt mondäner Luxus-Puppen tummelten sich von nun an deutsche Mädels auf grünen Alpenwiesen in den Schaufenstern.

1937 findet sich im sorgfältig geführten Tagebuch Georg Wertheims der schlichte Eintrag: »1. Januar – Georg Wertheims Austritt aus dem Geschäft«. Nach 32jähriger Ehe ließ sich die Frau Georg Wertheims auf Druck der Nazis von ihm scheiden. Georg Wertheim, der Mann, der die Berliner Einkaufswelt kultiviert und seinen Kunden anspruchsvolle, sinnliche Erlebnisse geschenkt hatte, der sich für ausgesuchteste Qualität einsetzte, ein unermüdlicher Arbeiter, der, anders als seine Brüder, lange Zeit auf eine Villa am Stadtrand verzichtet und lieber in der Nähe seines Warenhauses gelebt hatte, um morgens pünktlich im Büro sein zu können starb am 31. Dezember 1939 ohne Vermögen, allein, an einer Lungenentzündung.

Die nach Amerika geflüchteten mittellosen Neffen von Georg Wertheim, Fritz und Günther, beantragten 1950 die Rückübertragung der 1938 unter Druck verkauften Aktien, doch das gesamte Vermögen war auf die »arische« Ehefrau übergegangen, die nach ihrer Scheidung von Georg Wertheim Firmenjustitiar Lindgens geheiratet hatte. Dieser behauptete im Verfahren 1950, der Deal hätte auch ohne die NS-Herrschaft stattgefunden und WERTHEIM sei nichts mehr wert, weil »das gesamte Vermögen in der Ostzone entschädigungslos enteignet« worden sei.

Es kam zu einem Vergleich, bei dem die Neffen mit 40.000 DM abgespeist wurden. Tochter und Enkel von Günther Wertheim haben in New York am 30. März 2000 erneut Klage eingereicht. Ihr Anwalt glaubt, dass sie nicht nur von den Nazis, sondern in den 50er Jahren auch vom Hertie-Konzern um ihr Vermögen gebracht wurden, der kurz nach der Abfindung für die Wertheim-Neffen als »historisches Schnäppchen«, wie 2001 im »Spiegel« nachzulesen, WERTHEIM übernahm. Der heutige Wert der Rechtsnachfolgerin des Wertheim-Besitzes Karstadt-Quelle AG wird auf mehrere Millionen Euro geschätzt.

aus: Jüdische Korrespondenz, Nr. 2/2002 herausgegeben vom Jüdischen Kulturverein Berlin

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