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BERLINER JÜDISCHE SCHULGESCHICHTE:
Die Kaliski-Schule

Im Dol Nr. 2 - 6
Von Irene Runge

Es ist keine alltägliche Auskunft, die die Schüler über eine Schulzeit geben sollen, auf die ihre Flucht und die meist endgültige Trennung von der Familie, oft die Deportation der Eltern folgten. Diese Kinder haben den Weltkrieg und die geplante Vernichtung des jüdischen Volkes überlebt. Vier von fünf Hauptakteuren der SFB-Fernsehdokumentation leben 1998 in Berlin - wenn man den Washingtoner Politiker Michael Blumenthal, jetzt Direktor des Jüdischen Museums Berlin, mitzählt. Er hieß damals Werner.

Zwei seiner Mitschüler hießen Walter, und es waren diese zwei, Walter Lindenberg und Walter Levy, die im JKV den Film über »ihre« Kaliski-Schule kommentierend vorstellten. Vor kurzem erst verstarb der vierte Schüler, Gerd zu Klampen, nach Nazi-Lesart ein »Mischling 1. Grades«, was für ihn Arbeitsdienst und Militäreinsatz bedeutete, doch mit dem Beschluss der »Endlösung« zählte nur noch die jüdische Mutter. Aus der Wehrmacht ausgeschieden, überlebte er in einem Pankower Versteck und machte sich als Goldschmied nach dem Krieg in Westberlin selbständig. Blumenthal vegetierte, wie er im Film sagt, mit den Eltern in Shanghai, 1947 wanderte die Familie in die USA weiter. Er wird später US-Finanzminister und verpflichtet sich als Pensionär auf Zeit für die Museumsarbeit in Berlin. Walter Lewy hat sich das Überleben wahrlich ertrotzt: das Palästina-Kontingent der Kaliski-Schule war längst ausgefüllt, doch sein Drängen führte dazu, dass er, als ein Kind in ein anderes Land geht, für dieses einspringen darf.

Seine Theaterleidenschaft aber vertrug sich nicht mit dem Kibbuzleben in Ben Schemen. Er schlug sich später in Tel Aviv durch, abends auf der Bühne, bis 1948 der Unabhängigkeitskrieg ihn als Soldat und im Generalstab brauchte. Dann gründete er eine Familie und kehrte 1959 mit dieser nach (West-)Berlin zurück und war 30 Jahre lang Busfahrer. Das JKV-Mitglied Walter Lindenberg rettete der Kindertransport. In England politisierte ihn die FDJ, er kämpfte als britischer Soldat, auch wenn er zunächst wie alle Emigranten als »feindlicher Ausländer« galt. Mit seiner Frau kam er 1946 nach Deutschland, in die spätere DDR, studierte und arbeitete hier als Ingenieur.

Im Film sehen wir auch die 1908 in Breslau geborene Lotte Kaliski, die 1931 nach Berlin kam. Hier suchte sie, mit dem Mittelschullehrerexamen in der Tasche, eine Anstellung als Lehrerin. Sie fand aber, hauptsächlich wegen ihrer Körperbehinderung, keine Stelle und gründete deshalb eine eigene Schule. Diese wurde 1932 unter dem Namen "Waldschule Kaliski" (in Eichkamp) geöffnet.
Der Schule gab sie nicht nur ihren Namen, sondern versah sie auch mit modernen reform-pädagogischen Inhalten. Die Schule ist respektabel für jüdische und nichtjüdische Kinder, bis die jüdischen Kinder nach 1934 wegen »Rassentrennung« nach und nach aus den Gymnasien ausgeschlossen werden. Aus der privaten »Waldschule Kaliski« wird die »Jüdische Waldschule Kaliski«, die sich zuletzt in einer großbürgerlichen Villa im vornehmen Dahlem eingemietet hat. Die Bewohner des Hauses Im Dol 2 – 6 hatten Deutschland rechtzeitig verlassen. Zeitweise um 320 jüdische Kinder lernten zwischen 1936 und 1939 Sach- und Fachwissen und genossen Respekt; allerdings schwankten die Zahlen wegen der Emigration. Ein unbekannt großer Teil der Schüler und Lehrer konnte noch wie Lotte Kaliski rechtzeitig in alle Welt flüchten. Wer zurückblieb, wir wissen es, war zur Deportation freigegeben. Spätestens nach der Pogromnacht war für die Juden unübersehbar geworden, dass nur im Ausland Rettung möglich war.

Anfang der 90-er Jahre gab es in Berlin ein letztes Schülertreffen. Lotte Kaliski war nicht dabei. Sie hat ihren Fuß nie mehr auf deutschen Boden gesetzt. Im Sommer 1938 war ihr, der Behinderten, nach langen Mühen die Einreise in die USA geglückt. In New York, diesmal im feinen Riverdale, stand sie über 40 Jahre der »New Kaliski Country Day School« für behinderte Kinder vor. Sie starb 1995.

Im Jahr 1938 sind die Zeitzeugen etwa 11 Jahre alt, als jüdische Kinder ausgesondert, von Mitschülern verprügelt oder auch bemitleidet. Diese hier kommen aus assimilierten Familien. Man glaubt sich deutsch und weiß sich auch jüdisch, doch erst in der Kaliski-Schule lernen viele Hebräisch, zionistische und jüdische Lieder und feiern jüdische Feste. Es wird auf die Emigration vorbereitet, da sind Fremdsprachen und handwerkliche Fähigkeiten wichtig, man spielt auch Theater, die Kinder tauschen Wissen über Exil-Stationen und Einreisemodalitäten aus.

Am Ende sind es deutsche Gartennachbarn und neue Bauherren, die auf Schließung der Schule drängen. Solche wie Rosenberg, von Schirach, Max Schmeling, reiche Unternehmer, auch Reichsführer Himmler und Außenminister von Ribbentrop sind nicht die einzigen, die sich in ehemals jüdischen Villen einrichten. Die Gegenwart jüdischer Kinder und Lehrer stört dabei. Ribbentrops Amt hat das Gebäude ohnehin im Auge, und kaum ist die Schule 1939 geschlossen, richtet das Auswärtige Amt hier seine Nachrichtenzentrale mit Sende- und Empfangsstationen und Neubauten für »Sonderaufgaben« ein. Walter Lindenberg brachte Dokumente mit, die auswärtige Politik im Dienste der »Endlösung« belegen. Heute beherbergt das Haus Im Dol 2 – 6 das Deutsche Archäologische Institut. Oberster Dienstherr ist das Auswärtige Amt, Eigentümerin noch immer die Oberfinanzdirektion. An die »Jüdische Waldschule Kaliski« erinnert bis jetzt noch keine Plakette.

aus: Jüdische Korrespondenz S. 5; 1/2001 hrsg. vom Jüdischen Kulturverein Berlin

Anm. haga: Von Ingrid Oppermann, der Autorin des Films "Eine Villa in Dahlem – Auf den Spuren der Jüdischen Waldschule Kaliski" liegt inzwischen ein weiterer Film über die Kaliski-Schule vor, mit dem Titel: "KLASSENTREFFEN – eine jüdische Reformschule im Dritten Reich".
Eine Gedenktafel an die "Waldschule Kaliski" wurde inzwischen am Grundstück Im Dol 2-6 angebracht.
Das Archivmaterial der "Privaten Jüdischen Waldschule Kaliski" findet sich als Teil der Dauerausstellung im Jüdischen Museum Berlin.

"Eine Villa in Dahlem - Auf den Spuren der Jüdischen Waldschule Kaliski" ein Film von Ingrid Oppermann, Länge 60 min, Produktion Sender Freies Berlin, 1999.

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